Spuren

Genau gegenüber von unserem Strand ragt auf der anderen Seite des Sees ein großer, flacher Fels ins Wasser. Bisher war er nur per Boot zu erreichen. Doch vor wenigen Tagen waren von dort drüben Waldarbeiter zu hören. 

Heute Morgen bleibt es still. Zeit für einen Erkundungsgang. Der Weg führt eine gute halbe Stunde um das östliche Ende vom See. Dort, wo vorher schier undurchdringlicher Wald war, verläuft nun eine von Kettenfahrzeugen gespurte Schneise. Die Grundstücke hier auf Itäniemi – der „Osthalbinsel“ stehen zum Verkauf. Und offensichtlich soll das Gelände nun erschlossen werden. Der Weg endet beim letzten Grundstück, hoch über dem Steilufer. Von hier aus sind es 200 Meter den Hang hinunter, dann öffnet sich der Blick auf eine kleine Bucht.

Es ist ein windstiller Morgen, der See liegt ruhig und das Wasser ist glasklar bis auf den Grund. 

Am Nachmittag machen wir den Weg zu zweit. Der Wind ist aufgefrischt. Im Auf und Ab der Wellen zeigt sich etwas, was am Morgen nicht zu erkennen war: Vor uns im Wasser liegt das Skelett eines uralten Kahns. Wir ziehen ihn auf den Strand. Er ist komplett aus Holz. Wie kommt er hier hin? Ob die Osthalbinsel „Itäniemi“ früher einmal bewohnt war? Auf der Lichtung oben auf dem Hügel haben wir Reste von Steinmauern gesehen, wie man sie anlegt, damit die Kühe nicht von der Weide ausbüxen. Oben ein lange verschwundener Bauernhof, hier unten die Bucht? 

Katharina liest eine ganze Geschichte in unseren Fund hinein: Die Bucht war der heimliche Treffpunkt der Bauerntochter mit dem Fischerjungen vom anderen Ende des Sees, die eines Tages beide spurlos verschwanden. Nur, dass die Schulen der Dörfer ringsum in den Jahren danach von zahlreichen Kindern bevölkert wurden, von denen keiner wußte, woher sie kamen. Die aber alle eine gewisse Ähnlichkeit hatten – mit dem Fischerjungen. Und der Bauerntochter.

Die Sonne wärmt den Stein und eine Weile sitzen wir noch auf der Landzunge und lassen den Blick schweifen. Genau gegenüber am anderen Ufer liegt hinter den Bäumen versteckt die gelbe Fassade unseres Hauses. Eine Weile noch lauschen wir dem Kommen und Gehen des Wassers.
Dann führt uns der Weg wieder zurück.

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